Nach der Angst- die Lügenkampagne

Steht seit 18 Monaten still und darf nie mehr ans Netz: das AKW Beznau, 10 Kilometer nördlich von Baden. Foto: SES / David Adair
Steht seit 18 Monaten still und darf nie mehr ans Netz: das AKW Beznau, 10 Kilometer nördlich von Baden. Foto: SES / David Adair

Auf die faktenfreie Angstkampagne gegen die Initiative für eine Grüne Wirtschaft folgt die lügenbasierte Desinformationskampagne gegen die Initiative für einen geordneten Ausstieg aus der Atomenergie. Vertreter von SVP, CVP, FDP und BDP warnen vor der ihrer Ansicht nach «extremen Ausstiegsinitiative», über die am 27. November abgestimmt wird. Werde sie angenommen, fehlten schon nächsten Winter 15 Prozent der Stromproduktion.

Die Warnung vor einer «Versorgungslücke» ist ein Griff in die Mottenkiste. Tatsache ist, dass schon in diesem Winter 24 Prozent der Schweizer Stromproduktion fehlen. Die AKW von Beznau und Leibstadt, die zusammen rund 2 Gigawatt Leistung erbringen können, stehen zurzeit wegen technischer Probleme still, womit ein Viertel der inländischen Elektrizitätserzeugung ausfällt. Dennoch öffnet sich keine Lücke, denn die Schweiz ist eingebunden in das europäische Elektrizitätssystem, und Europa erlebt bekanntlich eine noch nie dagewesene Stromschwemme. Der Schweizer Exportüberschuss trägt übrigens dazu bei: 2015 betrug er 3770 Gigawattstunden, obwohl das AKW Beznau mehrheitlich stillstand.

«Bereits 2017 sollen drei der fünf Schweizer Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Das ist genau das Gegenteil von sicher und geordnet. Es ist schlicht unmöglich, die hochkomplexe Planung innerhalb von so kurzer Zeit zu bewerkstelligen.» – Kampagne Ausstiegsinitiative-nein

Die Initiative der Grünen, so die Gegner der Initiative, sei eine Kurzschlusshandlung, weil sie eine «chaotische Schnellabschaltung» der AKW verlange. Tatsächlich müssten Beznau I und II sowie Mühleberg Ende Jahr vom Netz – die drei ältesten und kleinsten Meiler, die zusammen nicht viel mehr Strom erzeugen als das AKW Leibstadt allein. Durch die Ausfälle der Reaktoren von Beznau und Leibstadt fällt ungeplant weit mehr Atomstrom aus, und der Ersatz ist problemlos möglich.

Mit dem Alter wächst das Risiko

Ziel der Atomausstiegsinitiative ist nicht die rasche Abschaltung der AKW, sondern ein geordneter Ausstieg aus der Atomenergie, damit der Ersatz mit Energie aus erneuerbaren Quellen geplant und realisiert werden kann. Wenn die Werke in Beznau und Mühleberg sofort vom Netz müssen, dann deshalb, weil sie die Lebensdauer überschritten haben, für die sie vor mehr als einem halben Jahrhundert konzipiert wurden. Nicht der geordnete Ausstieg gefährdet die Versorgungssicherheit, sondern das Festklammern an dieser Technologie ohne Zukunft. Der Übergang zu einer Versorgung mit erneuerbaren Energien ist nur planbar, wenn klar ist, wann die Meiler stillgelegt werden.

Schlicht gelogen ist aber die Behauptung der Initiativgegner, dass «das Alter nichts über den Zustand und die Sicherheit eines Werks» aussage. Das Gegenteil ist wahr: Durch den permanenten Neutronenbeschuss im Betrieb versprödet der Stahl des Druckbehälters und wird immer brüchiger. Zerbricht er, ist eine Kühlung der Brennstäbe nicht mehr möglich. Das ist in Fukushima passiert und kann auch in der Schweiz passieren. Was ein GAU mit Kernschmelze bedeuten würde, zeigt zum Beispiel dieser Reisebericht aus Fukushima.

Für die Risikoabwägung relevant ist nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses, sondern auch die drohenden Konsequenzen. Wenn die Folgen eines Unfalls alles zerstören, was unsere Vorfahren aufgebaut haben, dann darf kein «Restrisiko» in Kauf genommen werden, und sei es noch so klein. Ein AKW kann man nicht zu früh abschalten – aber zu spät.

Datengrundlage dieses Blogposts: Bundesamt für Energie, Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2015
Kampagnenwebsite Geordneter Atomausstieg Ja

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